Alle
Jahre wieder
Ganz kribbelig sind die
Kinder schon.
Der Vormittag war ganz dem
Aufräumen gewidmet, das Kinderzimmer musste glänzen, denn es sollte dort heute
das Christkind einziehen. Nun saßen sie
mit der lieben Tante Ira in der großen Wohnküche und spielten Mensch Ärger Dich
Nicht. Vati war eben erst von der Arbeit gekommen und im Schlafzimmer
verschwunden. Durch das Schlafzimmer kam man in das Kinderzimmer. So war das damals in den großen alten
Häusern, in denen nun eine Etage für 3 Familien reichen musste, in der sich früher die Schlafräume der
„Herrschaften“ befanden.
Der Herd bollerte und
grummelte, das Wasser im Schiffchen zischte leise vor sich hin. An den Fenstern
wuchsen die Eisblumen und verzauberten den Raum, der mit ein wenig Tannengrün
und selbst gebastelten Sternen schon
sehr behaglich war.
Kein Geräusch drang aus dem
Zimmer nebenan und schon gar nicht aus dem dahinter liegenden.
„Oh. wann kommt denn nur
endlich das Christkind?“ Martin sprach aus, was auch die Geschwister bewegte.
„Wenn die Glocke läutet“, sagte
Tante Ira, „doch das dauert noch eine ganze Weile.
„Aber warum kommen Vati und
Mutti da gar nicht mehr raus?“
„Nun, sie müssen doch dem
Christkind helfen, denkst du denn, das kann bei allen Menschen alles alleine
machen?“
„Aber es hat doch die Engel
und Zwerge als Helfer.“
„Ja sicher, doch die Eltern
müssen dann schon aufpassen, dass auch kein bisschen vergessen wird.“
Da, Schritte! Alle Augen
klebten an der Tür, alle Ohren waren gespitzt, war schon der zarte Glockenton
zu hören, an den die Größeren sich noch erinnerten? ...Nein, nur Vati und Mutti
kamen rein und sahen gar nicht so aus, als hätten sie das Christkind schon
gesehen.
„Ist das Christkind schon
da?“ Alle waren gespannt auf die Antwort, doch Vati schüttelte nur den Kopf.
„Ich habe euch doch gesagt, dass es sich nicht blicken lässt, solange Menschen
im Zimmer sind, wir mussten nur den Flügel richtig hinstellen, damit wir auch
singen können, wenn es soweit ist. Jetzt essen wir erst mal etwas.“
Die Aufregung war aber so
groß, dass die Kinder wie aus einem Mund riefen:“…keinen Hunger!“
Doch als Mutti dann aus dem
Abstellraum den großen Teller mit den belegten Brötchen hervor holte, lief den
Kindern das Wasser im Munde zusammen. „Brötchen!“ „Mit Kochschinken!“ „Aufgeklappt!“
So ein Festmahl, sie konnten
es kaum erwarten, dass das Tischgebet gesprochen war und schon verschwanden die
Brötchen Stück für Stück in den kleinen Mäulern. Ganz still wurde es am Tisch,
denn auch die Erwachsenen widmeten sich, ein wenig erschöpft, dem seltenen
Genuss.
Vati stand dann auf und ging
zum Radio.
„So, nun wollen wir mal
hören, ob für Kinder eine Sendung kommt. Dann ist das Warten nicht so lang.“
Die bekannte
Kinderstundenmelodie erklang und die Stimme des Sprechers kündigte an: „ Liebe
Kinder, nun hört ihr die schöne Geschichte von Peter Rosegger: Als ich die Christtagsfreude holen ging.“
Voller Erstaunen darüber,
was so ein kleiner Junge damals alles machen musste, wie viele Stunden er
unterwegs war, um für das Weihnachtsessen einzukaufen, mit welchen
Schwierigkeiten er fertig werden musste, ganz allein auf sich gestellt,
lauschten sie mit heißen Ohren und offenen Mündern.
Sie bemerkten nicht, dass
die Eltern nach einem kurzen Nicken in die Richtung der Tante wieder die Küche
verließen, so sehr waren sie im Bann der Geschichte.
Als Vati das Radio
ausstellte, kamen so viele Fragen, die aus den Kindermündern purzelten, doch
Tante Ira legte den Finger an die Lippen:“ Psst, wir müssen lauschen, ob wir
das Glöckchen hören und wollen doch das Christkind nicht erschrecken.“
Und dann, endlich…eine
kleine Glocke erklang und als die Kinder aufsprangen, öffneten sich die
Flügeltüren der großen Zimmer, es setzte das Vorspiel zu IHR KINDERLEIN
KOMMET auf dem Flügel ein, das nun mit
hellem Sopran von Mutti angestimmt wurde, Vati, der am Flügel saß, fiel mit
warmem Bariton ein, und Tante Ira betrat mit den Kinder , die nun das Lied mitsangen,
das hell leuchtende Weihnachtszimmer.
Ganz andächtig gingen die
Blicke zu dem wunderschön geschmückten Baum, hier hingen die kleinen Trompeten,
die Pferde und Engel, sowie Kugeln aus dem alten Bauernsilber, die alle schon
in Vatis und Tante Iras Kindheit jedes Jahr an deren Weihnachtsbaum hingen,
dann waren süße Sachen aufgehängt, kleine Äpfel und viele Kerzen, die leise
flackerten. Der große Tisch, an dem sie sonst bastelten oder Hausaufgaben
machten, war heute ganz in weiße Tischtücher gehüllt, die aber nicht glatt
auflagen, sondern kleine Berge und Täler aufwiesen und so die freudige
Erwartung der Kinder noch steigerte.
Alle setzten sich nun und
Vati las die Weihnachtsgeschichte vor.
Als nun STILLE NACHT HEILIGE
NACHT erklang, wischte sich die Tante, in Erinnerung an eigene Kindheit und
Jugend, die nicht mehr lebenden Eltern, ein paar kleine Tränen fort.
Nun waren die Kinder dran:
ihre Gedichte und Lieder, ihre selbst gebastelten Geschenke wurden voller Stolz
dargebracht.
Und endlich…endlich wurden
Tischtücher gelupft und erst noch ganz starr vor Aufregung und innerer Andacht
fielen die Blicke auf die bunten Teller, da auf eine Bommelmütze, einen Schal,
dringend benötigte Handschuhe, doch auch Angelina, die heißgeliebte Puppe
lachte vom Tisch, akkurat in die gleichen Stricksachen gehüllt, die auch für
die Puppenmutter vorgesehen waren; da kamen noch Bausteine, eine Mundharmonika
für den Großen, ein Schaukelpferd für den Jüngsten zum Vorschein, aufgefrischt
in den Farben und wieder blank glänzend.
Heiße, rot glühende Wangen, glänzende Augen, eifriges Sortieren…
Kinderglück.
Doch auch die Erwachsenen
freuten sich an ihren kleinen Geschenken und an der Freude der Kleinen.
Immer, wenn es etwas
lebhafter wurde, setzte Vati sich an den Flügel und stimmte ein neues Lied an,
ach wie viele kannten sie, hatten sie doch abends immer miteinander gesungen
und musiziert in der Adventszeit, so hatten sich die Lieder eingeprägt und aus
vollem Herzen erklangen dann auch „Alle
Jahre wieder, Oh Tannenbaum und viele
Lieder mehr.
Das Lied „Am
Weihnachtsbaume, die Lichter brennen“
war immer der musikalische Abschluss und wenn die Stelle „Zwei Engel
sind hereingetreten“ gesungen wurde, richteten sich immer die hoffnungsvollen
Augen der Kinder auf die Tür, als erwarteten sie, auch diese Engel zu sehen,
sie begrüßen zu können.
Ganz vorbei war Weihnachten
noch nicht, denn nun kam das wunderbare Essen: Kartoffelsalat mit Würstchen,
auf das sich alle schon so sehr gefreut hatten. Köstlich!
Übermüde, überglücklich
lagen spät die Kinder in ihren Betten und konnten schemenhaft vor dem Fenster
noch den Weihnachtsbaum stehen sehen; das Feuer im Ofen war erloschen, der Wind vor
den Fenstern blies ab und zu einen kalten Hauch durch die alten Fenster, so
kuschelten sie sich tief in ihre Federbetten, die Füße an die in ein Tuch
eingeschlagenen heißen Ziegelsteine geschmiegt, noch die Lieder in den Ohren,
wollten miteinander reden, doch die Müdigkeit übermannte sie und mit seligem
Lächeln lagen dann die kleinen Weihnachtsengel
in den Kissen, als die Eltern vor
dem Zubettgehen noch einmal durch das Zimmer gingen.
Von dem Kirchturm läuteten
die Glocken Weihnachten 1956 ein.
Weihnachten in der Kindheit meines Vater 1923