Ein Don Juan
Der Mittvierziger saß in seiner
Villa an seinem Schreibtisch und schrieb. Gut sah er aus, war vermögend und er
baute darauf, dass es alle honorierten. Drei Ehen hatte er schon hinter sich
und als selbst ernannter Don Juan ließ er auch während der Ehen seine Finger
nicht von hübschen Frauen. Nun war er also wieder verheiratet, was ihn aber
weder mit Blindheit schlug, noch zum monogamen Menschen werden ließ.
„Was machst Du denn da? Du sitzt beim Schreiben
nun schon eine Stunde grinsend und pfeifend da.“
„Ach ich schreibe mir so meine
Wünsche auf, die ich erfüllt haben möchte, wenn ich sterbe.“
„Oh du Lieber, du schreibst ein
Testament?
„Naja, so ähnlich.“
„Wie, so ähnlich?“
„Ich habe da so letzte
weltliche Wünsche, die meine Beerdigung betreffen und dann noch die Wünsche für
die Seele.“
Beeindruckt beugte sie sich
über den Bogen Papier, der vollgekritzelt war mit kleinen Namen.
„Was sind denn das für Namen,
das scheinen ja hunderte zu sein?“
Er schmunzelte.
„Ja, das sind alle Frauen, die
ich schon einmal im Leben hatte und ich wünsche mir, dass sie alle zu meiner
Beerdigung sich noch einmal top gestylt an mein Grab stellen. Ich habe so
herrliche Erinnerungen an sie.“
Sie war nun aber doch ein wenig konsterniert. „Aha. Und
deine Wünsche für die Seele? Du sagtest, die hast du auch?“
„Ja, um keinen Preis soll eine
kirchliche Beerdigung abgehalten werden, denn ich möchte eines Tages in die
Hölle kommen, da ist es warm und wesentlich mehr los.“ Und fröhlich pfeifend
beugte er sich wieder über seinen Schreibblock, um die Namensliste zu
vervollständigen.
Auch diese Ehe wurde
geschieden.
An einem schönen Sommertag,
vierzig Jahre später, lag ein Mann in dem Sterbezimmer der Klinik. Runzelig
sein Gesicht, eingefallen und grau, hohl lagen die geschlossenen Augen in den
Höhlen. Eine resolute, stämmige Krankenschwester schaute von Zeit zu Zeit nach
ihm.
Ganz langsam drängte die Seele
aus dem so sehr verbrauchten Körper, er war nutzlos geworden, doch noch konnte
sie nicht ganz weichen, wollte sie doch die Freuden des Lebens noch einmal
erleben, also blieb sie ganz in der Nähe, um zu sehen, ob auch alle Wünsche
erfüllt würden..
„Exitus“, die Schwester
verständigte den Großneffen des Mannes, der in den letzten Jahren die Betreuung
übernommen hatte und nun für ein weiteres Prozedere zuständig war.
Kopfschüttelnd nahm dieser im
Hause des Verblichenen den letzten Willen und damit auch die Liste seines
Onkels zur Hand und musste lachen. Welch aberwitziger Wunsch, alle Frauen aus
seinem Leben bei der Beerdigung dabei haben zu wollen. Gut, er wollte sehen,
was er tun konnte, da musste die Beisetzung aber noch ein paar Tage länger
warten.
Die Seele langweilte sich,
schaute mal hier nach dem Rechten, mal dort, ärgerte sich, dass es anscheinend
nicht so richtig voran ging, doch dann endlich, der große Tag war gekommen,
sein letzter großer Abschied und die Seele nahm Platz an dem Rand des Grabes
und harrte der wunderschönen Frauen, die nun kommen sollten.
Da, was war das? Eine
Prozession von Frauen in Rollstühlen, mit Gehhilfen, Rollatoren, die wenigsten festen
Schrittes, bewegte sich auf sein Grab zu.
„Ich Dummkopf, ich Hornochse,
wie konnte ich vergessen, dass auch diese herrlichen Wesen, die mir so
wunderbar die Zeit vertrieben, einmal altern würden!“
Entsetzt machte die Seele sich
auf den Weg himmelwärts, doch als sie klopfte, hielt Petrus nur ein Blatt Papier in die Luft, ließ es
fallen und schlug die Himmelspforte wieder zu.
Also blieb der armen Seele nur
der Weg abwärts, wie auf seinem Papier festgehalten, und so kehrte nach dieser
wilden Lebenswanderung die Seele in der Hölle ein.
Die Seele des Don Juan war müde
und hoffte nun auf den warmen Platz zum Ausruhen, doch um sie herum war es
laut, lebhaft, schrill. Alle griffen nach ihr, dass sie voller Angst um Hilfe rief, doch nur eine
dunkle Stimme sprach donnernd zu ihr:
„Du wähltest zu Lebzeiten nur
Vergängliches, Lautes, nun bist du hier und deine Hölle wird sein, dieses
ertragen zu müssen, bis deine Erkenntnis in dir reift und deine Sehnsucht nach
Frieden und Licht so unermesslich stark ist, dass du dann aufsteigen darfst.“
FloravonBistram
1996