Kindheit in enger Verbundenheit mit der
Natur
Im Sauerland leben hieß für uns
draußen leben und erleben.
So streng es auch im Elternhaus zuging,
lernten wir doch sehr viel über die Natur, das Sein und Wirken der
einzelnen Kräfte unter- und miteinander.
Ab Ostern gab es die kurzen Strümpfe,
welch herrliches Gefühl, sich ohne Leibchen und warme Unterwäsche
frei bewegen zu können. Zu kurze Schuhe wurden vorne einfach
abgeschnitten und so konnten wir in offenen Schuhen laufen, wenn das
Wetter nackte Füße nicht zuließ. Obwohl wir diese natürlich auch
abstreiften, um barfuß über Felder und Wiesen zu laufen, durch
Pfützen zu springen, um dann für den Heimweg die Schuhe
einigermaßen sauber zu haben.
Ich erinnere mich an das kühle,
prickelnde Gefühl der Gräser an den Fußsohlen, an das Pieksen und
schlürfende Schmatzen, wenn wir über die nassen Felder liefen.
Wilde Blumen auf den Wiesen wurden zu
Kränzen gewunden, zu Sträußen gebunden, wir sammelten Steine, als
wären es Goldstücke, und die Blätter im Herbst trockneten wir in
alten dicken Folianten, um später damit Bilder zu kleben.
Wir sprachen mit den Bäumen und
Blumen, den Tieren und den Gestirnen, ersannen Geschichten, um unser
Leben mit dem der Natur zu verbinden.
In der Eder lernte ich Forellen mit der
Hand zu fangen, zu reiten und Ziegen zu melken. Meine Tante, meine
Oma, meine viel ältere Kusine waren stete Begleiter durch das
Verwerten der Naturfrüchte. Unsere Eltern kannten alle Pilze,
Waldpflanzen und die Vogelstimmen lernten wir zuzuordnen.
Sonntags zogen wir mit einem
Bollerwagen los, mein jüngster Bruder kam hinein, zwischen seinen
Beinen stand eine Schüssel mit Kartoffelsalat und eine Milchkanne
mit Natronwasser.
Solche Tage waren voller Frieden und
Einigkeit und das Begreifen des Werdens und Vergehens weckte unsere
Wünsche nach mehr Erleben, mehr Lernen.
Der Winter hielt uns auch nicht im
Haus. Schlitten- und Skifahren waren selbstverständlich und
eisgekühlt kamen wir abends nach Hause, um nach Broten und Tee in
Betten zu schlüpfen, die mit Ziegeln, die im Ofen erhitzt wurden,
angewärmt waren. Keine Moonboots, keine Heizung, keine
Doppelverglasung... wir waren, bis auf die üblichen
Kinderkrankheiten selten krank.
Auch in der Schule wurde regelmäßig ein Wandertag einberufen. Mit Singen und Spielen, entdecken von Neuem gingen solche Tage immer viel zu schnell vorbei.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass
ich überhaupt keinen Drang verspüre, in die Stadt zu gehen, sondern
es zieht mich immer noch bei jedem Wetter nach draußen. Wenn ich
auch teilweise nicht mehr gut laufen kann, nutze ich die die Zeit,
die es mir erlaubt, wieder mit allen Sinnen in das rege Leben
einzutauchen, dass mir die Natur bietet.
FloravonBistram
1988, ergänzt 2011