so oder so


Per aspera ad astra "Non est ad astra mollis e terris via"

(Über raue Pfade gelangt man zu den Sternen)


Sonntag

Wintererinnerungen



Sicher habt ihr auch jetzt fast alle die weiße Pracht, die uns hier watteweich einhüllt.
Ich schaue auf den Rodelberg gegenüber und beim fröhlichen Jauchzen der Kinderstimmen steigen die Erinnerungen an meine Kindheit im Sauerland und seine wundervollen Wintererlebnisse mit Schlitten, Skiern, Gleit- und Schlittschuhen auf.

Geboren in Siegen, aufgewachsen in Bad Berleburg, erlebten wir Jahr für Jahr Schnee, Schnee, Schnee, hoch aufgetürmt an den Straßenrändern, wenn die Schneeräumer durchgefahren waren. Doch ansonsten eine Schneedecke, in die wir morgens, auf dem Marsch  zur Schule, tief einsanken. Der Weg war schwer zu laufen, doch das Vergnügen überwog.
In der Schule bollerte ein großer Ofen und wer dicht bei ihm saß, wurde fast gebraten. Um ihn herum standen die hohen Schnürlederschuhe, denn im Winter zogen wir in den Klassen Haus- oder Sommerschuhe an, so waren die Schuhe wieder trocken und warm, wenn wir in den Pausen den Schulhof stürmten, unsere Jacken hingen auch im Klassenzimmer, Übersocken kamen neben die Schuhe um den Ofen herum und fast immer beschlugen die Scheiben durch die Feuchtigkeit, wodurch sich dann an den hintersten Fenstern gleich Eisblumen bildeten, da die Wärme dort nicht ganz hinkam.  Um hinausschauen zu können, hauchten wir Löcher in die feinen Gebilde.
Der Heimweg war fröhlich, mit Schneeballschlachten und Adler- oder Engelabdrücke zu „zaubern“.  So kamen wir schon als Schneemänner mittags nach Hause.
Nach dem Essen, Abwaschen und Hausaufgaben konnten wir dann endlich wieder nach draußen laufen. Das bedeutete, alles wieder anziehen, was inzwischen am Küchenherd und dem Kinderzimmerofen getrocknet war.

Dicke Socken strickte die Oma jedes Jahr für uns vier Kinder, davon wurden 2 Paar über die langen Wollstrümpfe gezogen, die an dem gestrickten Leibchen angeknöpft immer einen kleinen kalten Rand am Bein ließen, deshalb kamen darüber angeraute Unterhosen und dann die Ski - oder Trainingshose . ...und man zog 2 oder 3 Pullover übereinander, eine Windjacke oder dünnen Anorak darüber, die handgestrickte Wollmütze auf den Kopf, Handschuhe wurden 2 Paar übereinander gezogen, die aus alten Pullovern genäht waren, die mehrfach vererbten Lederschnürschuhe dämmten ein wenig durch die Einlegesohlen aus mehrfach gelegter Zeitung... ab nach draußen, mit Schlitten für die Kleineren und für die Größeren die Skier. Ach je, wenn ich an das Drama mit den Bindungen denke… wie oft riss der überstrapazierte Lederriemen, deshalb hatten wir immer eine Schnur dabei, um im Notfall gerüstet zu sein.
Wenn wir dann wieder heim kamen, waren ewige Stunden vergangen; die Schuhbänder mussten am Ofen aufgetaut werden, dampfend hingen dann Jacken und Hosen, Pullover und Handschuhe an der silbernen Stange, die um den Ofen lief.
Unsere Füße wurden in Schüsseln mit Schnee abgerieben, während wir heißen Tee mit Honig tranken, Margarine, Leberwurst- oder Schmalzstullen aßen.
Wenn dann die Schuhe getrocknet waren, mussten wir jeder seine eigenen Schuhe, mit Lederfett einreiben. Mit einer Bürste und dann einem weichen Lappen wurde „nachgewienert“
Die Betten wurden vorgewärmt mit Ziegelsteinen, die im Backofen aufgeheizt waren.
Seltsamerweise wurde nur wenig dann geschimpft und natürlich haben wir selten Erkältungen bekommen, wir waren abgehärtet. Sehr schnell schliefen wir ein, denn es waren lange, erlebnisreiche Tage, die uns stählten und stärkten, denn die stete Bewegung an der frischen Luft war belebend, lehrreich und machte den Kopf klar.

Wir hatten zu Hause keinen Fernseher, der bei einigen Nachbarn und auch bei meiner Oma schon im Wohnzimmer stand, doch ich glaube, dass das sehr gut für uns war.

Heute muss ich mich schon mitunter wundern, wenn mir die kleinen Michelinmännchen am Rodelberg entgegen kommen…Moonboots, wattierte Jacken, Mütze, Kapuze…sie können kaum laufen in ihrer wattierten Bekleidung.

Doch die Freude, das Jubeln, der nimmermüde Eifer ist der Gleiche wie bei uns…
Ihr erinnert Euch?

FvB 2011